Kleines Lexikon für den Rechtsuchenden, in dem die am geläufigsten geschriebene Gerichtssprache des Kassationshofes und der Generalanwaltschaft bei diesem Gerichtshof erklärt wird.

Dieses kleine Lexikon erhebt keinen wissenschaftlichen Anspruch. Es ist also zwangsläufig unvollständig und ihm fehlt die wissenschaftliche Strenge. Es wird außerdem nie die wohldurchdachten Auskünfte ersetzen, die ein Rechtsanwalt beim Kassationshof oder ein Rechtsanwalt erteilt. Sein einziges Ziel liegt in dem Versuch, den Fachjargon dem breiten Publikum zugänglicher zu machen. Der einzige Verdienst dieses Lexikons besteht darin, dass es besteht. Vorab muss auch darauf hingewiesen werden, dass das Verfahren vor dem Kassationshof entweder in niederländischer oder in französischer Sprache geführt wird, auch in Angelegenheiten, in denen die angefochtene Entscheidung in Deutsch verfasst ist. Die deutsche Sprache ist keine aktive Verfahrenssprache am Kassationshof. Folglich sind die Übersetzungen ins Deutsche der in den beiden anderen Landessprachen benutzten Begriffe lediglich als Interpretationshilfen zu sehen und nicht als Wiedergabe von tatsächlich in deutscher Sprache vor dem Kassationshof verwendeten Termini. Dennoch empfiehlt sich ihre Anwendung beim Gebrauch der belgischen Rechtsterminologie in deutscher Sprache.

Nachstehend folgen also die kurzgefassten Erklärungen einiger Begriffe, die in den Entscheiden des Kassationshofes verwendet werden.

Angefochtene Entscheidung

Es handelt sich um die Entscheidung des Tatsachenrichters, gegen die Kassationsbeschwerde eingereicht wird. Sie ist nicht zu verwechseln mit der durch Berufung angefochtenen Entscheidung, die vom ersten Richter erlassen worden war und gegen die Berufung eingelegt wurde.

Büro für Gerichtskostenhilfe des Kassationshofes

Die Personen, die nicht in der Lage sind, die Kosten eines Kassationsverfahrens zu tragen -besonders in den Fällen, wo die Vertretung durch einen Rechtsanwalt beim Kassationshof erforderlich ist -können um Gerichtskostenhilfe ersuchen. Sie können hierfür einen Antrag bei diesem Büro einreichen, dessen Vorsitz ein Gerichtsrat am Kassationshof führt. Diesbezügliche Informationen, insbesondere in Bezug auf die Bedürftigkeitskriterien, um in den Genuss dieser Hilfe zu kommen, können (kostenlos) auf der Website www.cassonline.be eingeholt werden. Auf dieser Website befinden sich ebenfalls Formulare für die Beantragung einer Gerichtskostenhilfe; diese Formulare sind ebenfalls in der Kanzlei des Kassationshofes erhältlich.

Entscheid des Kassationshofes

Der Kassationshof befindet im Wege eines Entscheids. Dieser wird in der Regel von fünf Gerichtsräten (= Richtern) und manchmal (wenn die Lösung offensichtlich auf der Hand liegt) von drei Gerichtsräten (diese befinden einstimmig) erlassen. Ein Entscheid kann auch von einer Großen Kammer erlassen werden, die sich aus fünf Gerichtsräten, die der Sprachrolle angehören, die der Verfahrenssprache entspricht, und aus vier Gerichtsräten der anderen Sprachrolle zusammensetzt. In den vom Gesetz vorgesehenen Ausnahmefällen tagt der Gerichtshof in Vereinigten Kammern.

Meistens wird der Entscheid am Sitzungstermin selbst erlassen. Er wird vom Vorsitz führenden Magistraten verkündet. Bestimmte Entscheide werden in Französisch in der "Pasicrisie" und in Niederländisch in den "Arresten van het Hof van Cassatie" veröffentlicht. Die veröffentlichten Entscheide können (kostenlos) auf der Website www.cassonline.be oder www.juridat.be eingesehen werden.

Kassationsbeschwerde

Der Begriff Kassationsbeschwerde ist ein Synonym für den Rechtsbehelf beim Kassationshof.

Kassationsbeschwerde (Unzulässigkeitsgrund gegen eine)

Es handelt sich um die Einrede, die der Kassationsbeklagte oder die Generalanwaltschaft am Kassationshof gegen die Kassationsbeschwerde geltend macht, um diese vom Kassationshof für unzulässig erklären zu lassen. Siehe unten "unzulässige Kassationsbeschwerde".

Kassationsmittel

Das Kassationsmittel ist der rechtliche Anfechtungsgrund, der gegen die angefochtene Entscheidung gerichtet wird. Das Kassationsmittel gibt an, was in der angefochtenen Entscheidung oder in dem ihr vorangegangenen Verfahren gegen das Gesetz verstößt. Manchmal besteht das Kassationsmittel aus mehreren Teilen.

Diese Teile werden in Französisch „branches“ (Ast) und in Niederländisch „onderdelen“ (Unterteile) genannt. Es kann sich um ein einziges Kassationsmittel oder um mehrere Kassationsmittel handeln. Für ein richtiges Verständnis der vorangehenden Bemerkungen ist es wichtig zu wissen, dass der Kassationshof (nach der ersten Instanz und der Berufungsinstanz) keine dritte Instanz bildet, die nochmals die materiellen Umstände untersucht, sondern dass sein Auftrag darin besteht, über die Regelmässigkeit der Begründung und über die Gesetzlichkeit der ihr vorgelegten Entscheidungen zu wachen. Bei der Untersuchung der rechtlichen Korrektheit der angefochtenen Entscheidung ist der Kassationshof in gewisser Hinsicht "der Richter des Richters".

Wenn im Entscheid des Kassationshofes das Kassationsmittel wortwörtlich wiedergegeben ist, handelt es sich um den Text des Klägers selbst, der ohne Änderung durch den Kassationshof aufgenommen wurde.

Kassationsmittel, das rechtlich verfehlt ist

Ein Kassationsmittel ist rechtlich verfehlt, wenn es auf einer rechtlichen Behauptung gegründet ist, die der Kassationshof für unrichtig erachtet.

Kassationsmittel, das sachlich verfehlt ist

Ein Kassationsmittel ist sachlich verfehlt, wenn es auf einem unrichtigen Verständnis oder einer unrichtigen Auslegung der angefochtenen Entscheidung gegründet ist. Wenn der Kassationshof diese Formulierung verwendet, bedeutet dies also, dass er in keinerlei Weise irgendein Rechtsproblem löst. Im Übrigen werden die Entscheide des Kassationshofes, die eine derartige Antwort auf einen Kassationsmittel enthalten, in der Regel nicht auf Initiative des Kassationshofes oder der Generalanwaltschaft beim Kassationshof veröffentlicht.

Kassationsmittel, das begründet ist

Ein Kassationsmittel ist begründet, wenn der Kassationshof ihm stattgibt und wenn infolgedessen die Kassation (Nichtigkeit) oder teilweise Kassation der angefochtenen Entscheidung erfolgt.

Kassationsmittel, dem nicht stattgegeben werden kann

Der Kassationshof verwendet diese Formulierung, wenn er der Ansicht ist, dass der Kassationsgrund zulässig aber nicht begründet ist und weder sachlich noch rechtlich verfehlt ist, so dass der Kassationshof im Rahmen des Kassationsmittels prüft, ob der Tatsachenrichter die Rechtsregel, deren Verletzung geltend gemacht wird, richtig angewandt hat.

Kassationsmittel von Amts wegen

In Strafsachen untersucht der Kassationshof von Amts wegen im Interesse des Beschuldigten oder des Angeklagten, der eine zulässige Kassationsbeschwerde gegen die Entscheidung über die Strafverfolgung, die gegen ihn eingeleitet worden ist, eingelegt hat, ob diese Entscheidung rechtmäßig ist und ob alles, was im Verfahren unter Androhung der Nichtigkeit vorgesehen oder als wesentlich anzusehen ist, eingehalten worden ist. Stellt der Kassationshof in diesem Zusammenhang eine Rechtsverletzung fest, wirft er diese von Amts wegen auf, auch wenn der Kassationskläger sie nicht selbst in einem Kassationsmittel geltend gemacht hat.

Rechtsanwalt beim Kassationshof

In Zivil-, Handels-und Sozialsachen sowie bei Beschwerden gegen die Entscheidungen der Berufskammern in Disziplinarsachen müssen die Parteien durch Rechtsanwälte vertreten werden, die in der Kassationstechnik spezialisiert sind. Es handelt sich um ministerielle Amtsträger, die die Kassationsanträge und die Erwiderungsschriftsätze unterzeichnen. In Straf-und Steuersachen ist diese Vertretung durch ein Mitglied der Rechtsanwaltschaft beim Kassationshof nicht erforderlich.

Sitzung des Kassationshofes

Während dieser Sitzung erstattet der Gerichtsrat, der vom Ersten Präsidenten mit der Abfassung eines Entscheidentwurfs beauftragt worden ist, einen kurzen Bericht. Danach stellt die Generalanwaltschaft ihre Schlussanträge. Anschließend werden die Parteien angehört. Der Rechtsanwalt beim Kassationshof plädiert nur ausnahmsweise. Die Beratung erfolgt in der Ratskammer. Meistens wird der Entscheid am Tag selbst verkündet.

Unzulässige Kassationsbeschwerde

Eine unzulässige Kassationsbeschwerde ist eine Kassationsbeschwerde, die den gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen nicht genügt. Ein Beispiel: In Zivil-und Sozialsachen muss der Kassationsantrag von einem Rechtsanwalt beim Kassationshof unterzeichnet werden, ansonsten ist die Kassationsbeschwerde unzulässig.

Unzulässiges Kassationsmittel

Bevor der Kassationshof über die Begründetheit des Kassationsmittels befindet, muss er bestimmte Vorfragen untersuchen, die die Zulässigkeit des Kassationsmittels betreffen. Dies hängt mit dem Umstand zusammen, dass der Kassationshof nur in Rechtsfragen erkennt, die bei ihm unter Einhaltung bestimmter Bedingungen, in klaren und deutlichen Worten und auf der Grundlage von Tatsachen, die in der angefochtenen Entscheidung festgehalten worden sind, anhängig gemacht werden.

Wenn das Kassationsmittel nicht allen diesen Bedingungen genügt, ist er unzulässig. So sind zum Beispiel unzulässig:

  • ein unklares oder unpräzises Mittel,
  • ein Mittel, durch das die Tatsachenbeurteilung durch den Tatsachenrichter beanstandet wird,
  • ein Mittel, durch das eine Entscheidung beanstandet wird, die den Kassationskläger nicht betrifft,
  • ein neues Mittel, d.h. ein Mittel, das nicht vor dem Tatsachenrichter geltend gemacht worden ist und somit nicht zum ersten Mal vor dem Kassationshof geltend gemacht werden kann.

Verweisung der Sache nach Kassation

Wenn der Kassationshof die angefochtene Entscheidung kassiert und die Sache vor einen anderen Richter (im Prinzip gleichen Ranges wie derjenige, der die angefochtene Entscheidung erlassen hat) verweist, ist dieser Richter in der Regel nicht an den Entscheid des Kassationshofes gebunden. Bei einer erneuten Kassationsbeschwerde in Bezug auf die gleiche Rechtsfrage allerdings befindet der Kassationshof in vereinigten Kammern und, bei Kassation, ist der Richter, an den die Sache verwiesen wurde, an die Entscheidung des Kassationshofes in Bezug auf diese Rechtsfrage gebunden. Wenn die Entscheidung des Richters, an den die Sache verwiesen worden ist, dem Verweisungsentscheid des Kassationshofes aber entspricht, kann diese Entscheidung nicht mehr durch eine Kassationsbeschwerde angefochten werden.